Karlsruhe als Vorreiter – Gütertransport in Straßen- und Stadtbahnwagen

Die beste Lösung, die Klimabilanz des Güterverkehrs zu verbessern ist, ihn mehr auf die Schiene zu verlagern. Momentan bewegt sich dieser „kombinierte Verkehr“ auf der Schiene aber hauptsächlich nur zwischen den großen Güterterminals oder von und zu den Seehäfen. In Städten und im Umland ist Schienengüterverkehr bisher eher zweit- oder drittrangig.

Um für die Zukunft bessere Lösungen zu finden, startete deshalb am 1. März 2021 das auf drei Jahre angelegte Projekt LogIKTram. Als elementares Teilprojekt der Gesamtinitiative regioKArgo wollen Forscher hierfür neue Formen des Verkehrsträger-übergreifenden Warenladungs- und Lieferverkehrs erforschen und umsetzen.

Im Rahmen von regioKArgo soll mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagert und außerdem die letzte Meile der Belieferung emissionsfrei gestaltet werden. „Die vorhandene Infrastruktur des ‚Karlsruher Modells‘ bietet optimale Voraussetzungen, um neue Formen des Gütertransports zu entwickeln und in der Praxis zu erproben“, sagt Ascan Egerer, technischer Geschäftsführer der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG). Dieses „Karlsruher Modell“ kombiniert Straßenbahnstrecken in der Stadt und Eisenbahnstrecken im Umland bereits seit fast 30 Jahren.

Die Forscher wollen im Rahmen von LogIKTram nun einen Schritt weitergehen und ein Logistikkonzept und eine Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Plattform für einen künftigen Gütertransport in Straßenbahn- und Stadtbahnwagen entwickeln. Dabei würden die bestehende Straßenbahn- und Eisenbahninfrastruktur genutzt, erklärt Dr. Michael Frey, stellvertretender Institutsleiter am Institut für Fahrzeugsystemtechnik (FAST), Institutsteil Fahrzeugtechnik, des KIT.

Ziel: Realbetrieb auch in der Region

LogIKTram hat sich dabei verschiedene Ziele gesetzt. So wird ein technisches Konzept für eine „Gütertram“ auf Basis einer Zweisystem-Stadtbahn nach dem „Karlsruher Modell“ entwickelt, für das die AVG ein älteres Fahrzeug zur Verfügung stellt. Dieses wird speziell für die Anforderungen des Transports von Gütern angepasst und soll als erstes Demonstrationsobjekt getestet werden.

„Ein weiteres Teilprojekt namens regioKArgoTramTrain soll es darauf aufbauend ermöglichen, die neue Bahn nicht nur testweise auf dem Betriebshof, sondern im Realbetrieb auch in der Region einzusetzen“, so Egerer. „Wir haben uns dazu um eine Förderung beim Landeswettbewerb RegioWIN beworben.“ Vor einem Realbetrieb seien „weitere Aufgabenstellungen in den Themenfeldern verkehrliches Konzept, Bahnbetrieb, Gestaltung der Umschlagvorgänge und rechtliche Grundlagen zu bearbeiten“.

Damit die Tram aber nicht nur Güter sondern auch Personen befördern kann, muss der Innenraum variabel gestaltet werden können. Außerdem sollen die Transportbehälter automatisiert ein- und entladen sowie über Vorrichtungen wie Haken und Riegel gesichert werden. Um die Transportbehälter zentimetergenau zu bewegen und die normalen Fahrgastwechselzeiten im Personenverkehr einzuhalten, sei eine präzise Positionierung der Bahnen an den Stationen wichtig, betont Fey. Denn, „die bestehenden Fahrpläne sollen beibehalten werden.“

Simulation von Personen- und Gütertransport in der Region

Wissenschaftler des IfV des KIT untersuchen die Auswirkungen des Konzepts auf den Straßen- und Schienenverkehr. dazu bauen sie auf Basis des am IfV entwickelten Verkehrsnachfragemodells mobiTopp eine Simulationsumgebung für den Personen- und Gütertransport in der Modellregion Karlsruhe auf. Auf dieser Grundlage untersuchen sie dann verschiedene Betriebsszenarien der LogIKTram und deren verkehrliche Wirkungen.

„Ziel des Projekts ist, die Schienenverkehrskapazität zeitabhängig sinnvoll auszuschöpfen. Dabei ist es wichtig, die Anforderungen sowohl des Personenverkehrs als auch des Güterverkehrs zu berücksichtigen und beide zu kombinieren“, erklärt Dr. Martin Kagerbauer, Mitglied der Institutsleitung am IfV. „Mit dem im Projekt zu erstellenden kombinierten Personen- und Güterverkehrsmodell wird es erstmals möglich, Szenarien zu bewerten, die die Auslastungen der Schienenfahrzeuge mit Personen- und Güterverkehr optimieren, um nachhaltige, umweltfreundliche und den Straßenverkehr entlastende Konzepte zu entwickeln.“

Förderung vom Bund

Beteiligt am Projekt sind die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) als Federführerin, das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Hochschule Offenburg, das FZI Forschungszentrum Informatik sowie die Unternehmen MARLO Consultants, SimPlan, INIT und Thales Deutschland. Die DB Engineering & Consulting ist mit Experten aus Karlsruhe und Berlin zum Thema Logistik und Betreiberkonzepte sowie bei der Konzeption des Gütertramsystems mit ihrer Bahntechnik- und Logistikkompetenz vertreten. Als assoziierte Partner sind verschiedene Logistikunternehmen sowie die e-mobil BW, Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg eingebunden. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Förderung von insgesamt rund 2,75 Millionen Euro.

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Petra Wiesmayer
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